Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, der für uns gelitten hat, sei mit euch allen.
Liebe Gemeinde!
Wer regiert die Welt? Von wem lasse ich mich regieren?
An der Antwort auf diese Fragen entscheidet sich so viel! Wie wir miteinander und mit dieser
Welt umgehen, zum Beispiel.
Lautet die Antwort: Geld regiert die Welt, so werden wir bereit sein, alles andere dem
Anreichern und Besitzen unterzuordnen. Wir werden ein Wirtschaftssystem entwickeln, in
dem alles auf Gewinnmaximierung ausgerichtet ist und Solidarität keine Rolle spielt, in dem
die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinanderklafft. Wir werden uns selbst,
unsere Mitmenschen und die Erde dabei aus dem Blick verlieren.
Lautet die Antwort: Stärke und Macht regiert die Welt, werden wir alle Schwachen für
unwürdig erklären und alle Schwächen in uns nicht zulassen.
Es gibt so viele Antwortmöglichkeiten auf die Fragen: Wer regiert die Welt? Von wem lasse
ich mich regieren?
Diese Fragen sind so wichtig, dass sich sogar Jesus damit auseinandersetzen musste. In die
Wüste war er nach seiner Taufe gegangen, eine Zeit der Besinnung auf Gott, den Vater, und
auch eine Zeit der Bewährung als sein Sohn. Wir hören das Evangelium für diesen Sonntag
Invokavit aus Matthäus im 4. Kapitel. Dort heißt es:
4:1 Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel versucht würde.
2 Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. 3 Und der
Versucher trat zu ihm und sprach: Bist du Gottes Sohn, so sprich, daß diese Steine Brot
werden. 4 Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben: »Der Mensch lebt nicht vom
Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.« 5 Da führte ihn
der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels 6 und sprach
zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben: »Er wird seinen
Engeln deinetwegen Befehl geben; und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du
deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.« 7 Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht auch
geschrieben: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.« 8 Darauf führte ihn der
Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre
Herrlichkeit 9 und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich
anbetest. 10 Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! denn es steht geschrieben: »Du
sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.« 11 Da verließ ihn der Teufel.
Und siehe, da traten Engel zu ihm und dienten ihm.
Liebe Gemeinde!
40 Tage war Jesus in der Wüste und hat gefastet. Eine Zeit der Besinnung, wer oder was das
eigene Leben bestimmen, regieren soll. Fasten heißt wörtlich „sich festmachen“. Sich auf das
Wesentliche konzentrieren. Oft kommt es dabei zur großen Auseinandersetzung mit dem, was
mir sonst unbewusst bleibt, aber mich dennoch am Leben hindert. Kräfte und Mächte, die
mein Leben in Unordnung bringen können. Für all dies mag die Begegnung Jesu mit dem
Teufel stehen.
Diabolos heißt er im Griechischen. Einer, der trennt, der ausauseinanderreißt, der
durcheinanderwirbelt. Einer, der einen ganz konfus machen kann. Weil seine Vorschläge
vordergründig, auf den ersten Blick etwas Faszinierendes haben.
Wer möchte nicht den Hunger stillen nach 40 Fastentagen? Mehr noch, Steine in Brot
verwandeln: Ist das nicht die Lösung für den Hunger in der Welt? Kein Kind muss mit leerem
Magen zu Bett gehen. Brot für die Welt – alle werden satt.
„Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus dem Mund Gottes
kommt“, erwidert Jesus und sagt damit: Nicht nur der Köper muss genährt werden, sondern
auch die Seele.
Ohne das Wort, dass wir gehalten sind vom Höchsten, hilft alles Brot nicht zum Leben. Ohne
dass wir anderen zum Nächsten nur dann werden, wenn wir ihre Not und ihren Mangel sehen
und zu beheben suchen, wird alles Brot dieser Welt nicht dazu führen, dass alle satt werden.
Dass Produktivität gesteigert und Wachstum um jeden Preis angestrebt wird, hat bisher nicht
dazu geführt, dass die Güter dieser Erde gerecht verteilt sind und jeder Mensch hat, was er
zum Leben braucht. Dass Menschen sich in Gott geborgen glauben, sich nicht mehr von der
Angst um ihr eigenes Auskommen regieren lassen und anfangen, das Brot der Erde gerecht zu
teilen, ist da schon verheißungsvoller.
Beim zweiten Mal schlüpft der Teufel in die Rolle des Theologen und führt schöne
Psalmverse im Mund. „Spring vom Tempel, es wird dir nichts passieren. Denn Gott hat doch
seinen Engeln befohlen, dass sie dich auf Händen tragen.“ Der beliebteste Taufspruch im
Mund des Teufels!
Christlicher Glaube und eine noch so fromme Lebensführung sind gerade nicht eine Art
magische Sicherung vor Unglück, vor Krisen, Krankheit, Leid und Tod. Wunder – davon war
Jesus überzeugt – wecken keinen Glauben, kein Vertrauen. Andersherum wird für ihn ein
Schuh draus: Nicht das Wunder macht den Glauben, sondern im Glauben erfahren wir etwas,
das uns klar macht: Das war ich nicht allein, da war noch jemand mit am Werk, jemand, der
mir liebend zugewandt ist, der im Stande ist, Not zu wenden. In diesem Vertrauen ist Jesus
seinen Weg gegangen. Auch hinauf nach Jerusalem, obwohl sein Leben dort bedroht ist.
Heute beginnt die Passionszeit. Er ruft bei seiner Verhaftung keine Engel zu Hilfe und steigt
nicht vom Kreuz herab, als man ihn dazu auffordert. Beides hätte ihn davon abgehalten, sich
ganz in Gottes Hand zu geben und auf die Seite der ohnmächtig Leidenden zu stellen.
Zuletzt, auf der Spitze eines hohen Berges, stellt der Versucher die entscheidende Machtfrage.
Er erklärt die Erde zu seinem Macht- und Regierungsbereich. „Alle Königreiche der Welt will
ich dir geben.“ Er legt Jesus die Welt zu Füßen unter einer Bedingung: die Macht des Geldes,
statt der Nächstenliebe anzuerkennen, die Macht des Stärkeren statt der Barmherzigkeit, die
Macht der Schuld statt der Vergebung.
Der Weg, den der Teufel Jesus zeigt, ist zu allen Zeiten ein verführerischer: Du bekommst
dein Leben in den Griff, du hältst die Welt in deinen eigenen Händen, wenn du die
Verhältnisse anerkennst, die die Welt zu regieren scheinen. Mit aller Kraft weist Jesus das
zurück und nimmt Zuflucht zu dem Urbekenntnis Israels: „Du sollst den Herrn, deinen Gott,
anbeten und ihn allein verehren!“
Wer regiert die Welt und unser Leben?
Mit dem Bekenntnis zu Gottes Alleinherrschaft ist Jesus den Teufel erstmal los. Er spielt erst
wieder in der Passionsgeschichte eine Rolle. Die Versuchungsgeschichte zeichnet am Anfang
des Matthäusevangeliums schon den Weg Jesu vor – bis zum letzten Schrei am Kreuz. Bei
diesem Schrei ist es nicht geblieben. Sondern bei der Zusage des Auferstandenen: Ich bin alle
Tage bei euch bis an der Welt Ende.
So ist diese Episode am Beginn des Weges Jesu schon ein Hinweis, wer allein diese Welt und
unser Leben auf eine Weise zu regieren vermag, dass das Leben und nicht der Tod den Sieg
davonträgt.
Amen